alessandra carando

Alessandra Carando

Heilpraktikerin für Psychotherapie
Systemische Therapeutin
M.A. Politikwissenschaften


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Suizid: ein Tabu unserer Gesellschaft

In Deutschland sterben mehr Menschen durch Selbsttötung als durch Verkehrsunfälle, Drogenmissbrauch, Aids und Mord. Männer legen etwa dreimal so häufig Hand an sich wie Frauen. Im Jahr 2017 nahmen sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 9.241 Menschen in Deutschland das Leben: 6.990 Männer und 2.251 Frauen. Etwa zehn Prozent der Menschen, die ihr Leben beendeten, waren jünger als 30 Jahre.

Historisch wird Suizid in unserer Gesellschaft überwiegend abgelehnt. Obwohl es in der Bibel sich kein ausdrückliches Suizid-Verbot findet, stimmen zahlreiche Kirschenlehrer seit der Theologe Augustin in der Ansieht überein, dass Selbsttötung dem göttlichen Schöpfungsakt wiederspricht. Daher wurden früher die sogenannten ‚Selbstmörder‘ außerhalb der christlichen Friedhöfe als ehrlos verscharrt.

Der Anstoß, Suizidenten würdig zu bestatten, kam durch die Aufklärung und in Deutschland auch durch den preußischen Staat: Im Allgemeinen Preußischen Landrecht wurde dann 1794 diese Diskriminierung des ‚Selbstmörders‘ untersagt und ihnen ein ehrliches Begräbnis auf dem Friedhof zugestanden. Die Kirchen brauchten noch einmal gut 100 Jahre, bis auch sie die diskriminierende Haltung langsam aufgaben. Der Suizid ist seit dem 19. Jahrhundert nach deutschem Recht kein Straftatbestand.

Risikofaktoren für Suizidalität

Das Suizidrisiko ist im Vergleich mit dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung erhöht bei: Männern, Menschen im höheren Lebensalter, Menschen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung und jungen Frauen mit Migrationshintergrund. Traumatisch erlebte Ereignisse wie der Verlust wichtiger Bezugspersonen, schwerere Erkrankungen, Veränderungen von Lebensumständen, wie Verlust des Arbeitsplatzes oder Untersuchungshaft bzw. schon die Angst vor solchen Ereignissen können bei vulnerablen Menschen Suizidgedanken auslösen. Jedoch ist das Vorhandensein auch mehrerer Risikofaktoren kein Indikator für Suizidgefährdung und keiner dieser Faktoren erklärt einen Suizid allein.

Der Suizid wird zunehmend ein Phänomen des höheren Lebensalters. Im Jahre 2013 betrug das durchschnittliche Lebensalter eines durch Suizid verstorbenen Menschen 57,4 Jahre. Bei Frauen stieg auf 59,4 Lebensjahre.

Alle psychischen Erkrankungen gehen mit erhöhter Suizidgefahr einher: 90% der Suizide liegen psychische Erkrankungen zugrunde. Dazu gehören:
Depressive Episode (60%)
Alkohol- und Drogenabhängigkeit (15%)
Schizophrene Psychosen (10%)
Persönlichkeitsstörungen (5%)

Schwere (chronische) körperliche Erkrankungen sind in bis zu 50% der Suizide ein entscheidende Faktor. Betroffenen Menschen fällt es schwer über ihre Suizidgedanken mit ihrem Arzt oder Therapeuten zu sprechen - nicht selten auch während der Behandlung einer Erkrankung, wie einer Depression -. Aus Studien ist bekannt, dass Menschen vor einem vollendeten Suizid viel häufiger als üblich einen Arzt aufgesucht haben, die Suizidgefährdung aber nicht erkannt wurde. Häufig besteht die Angst darin, nicht ernst genommen zu werden, soziale Kontakte zu verlieren, als psychisch krank bezeichnet zu werden und vor Autonomieverlust durch zwangsweise Behandlung. Außerdem haben nicht wenige die Vorstellung, dass sie niemand verstehen und niemand ihnen helfen könne. Diese Ängste und Vorstellungen ergeben sich aus der psychischen Befindlichkeit der Betroffenen.

Wie können wir in unserer Gesellschaft mehr Toleranz für Krisen entwickeln?

Suizid und Suizidversuch sind bis heute ein Tabu geblieben:  Auch in unserer aufgeklärten Leistungsgesellschaft wird der Umgang mit dem Thema Suizid nach wie vor gerne weggeschoben. Die mit einer solchen Tabuisierung oft einhergehende Scham der Betroffenen und ihrer Angehörigen erschwert den Umgang mit der lebensbedrohlichen Krise zusätzlich. Menschen in einer schweren persönlichen Krise mit Selbsttötungsabsichten sind kaum noch in der Lage, sich Hilfe zu holen. Sie sind somit auf Unterstützung von aufmerksamen Mitmenschen angewiesen. Angehörige oder Freunde sind jedoch in aller Regel überfordert, wenn sie bei einem geliebten Menschen Anzeichen einer möglicherweise beabsichtigten Selbsttötung entdecken. Aufklärungskampagnen mit dem Ziel bestehende Vorurteile und gesellschaftliche Stigmatisierung abzubauen sind ein wichtiger Bestandteil der Suizidpräventionsprogramme in Deutschland. In der öffentlichen Meinung gibt es noch viele Vorurteile zum Thema Suizid, die irreführend und falsch sind.

Faxit

Suizide sind ein globales Phänomen. Alle Länder sind davon betroffen. Es gibt Hinweise darauf, dass auf jeden Erwachsenen, der durch einen Suizid stirbt, mindestens 20 Personen kommen, die einen Suizidversuch begehen.

Trotz der allgemeinen Meinung, dass Suizide häufiger in Ländern mit hohen Einkommen verübt werden, geschehen tatsächlich 75 % der Suizide in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Suizid ist während der gesamten Lebensdauer eine häufige und bedeutsame Todesursache. Außer den Auswirkungen auf Einzelpersonen, die Suizidversuche unternehmen und durch Suizid sterben, wirken sich Suizide auch weitreichend und wellenartig auf Familien, Freunde, Kommunen und Länder aus.

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Beschränkung des Zugangs zu tödlichen Mitteln und Methoden beispielsweise sehr vielversprechend und wirkt. Eine effektive Strategie zur Prävention von Suiziden und Suizidversuchen ist daher die Beschränkung des Zugangs zu den häufigsten Suizidmethoden- und mitteln, wie Pestiziden, Schusswaffen und bestimmten Medikamenten.

Suizidprävention sollte als Kernkomponente in das nationale Gesundheitssystem integriert sein. Psychische Erkrankungen und Alkoholmissbrauch sind Ursachen für sehr viele Suizide weltweit. Frühe Erkennung und effektives Management sind der Schlüssel dafür, dass Betroffenen die Hilfe erhalten, die sie benötigen. Darüber hinaus spielen Gemeinden eine entscheidende Rolle in der Suizidprävention. Sie können soziale Unterstützung für Betroffenen bieten und sich in der Nachsorge, Stigma-Bekämpfung und bei der Unterstützung für Angehörige eines Suizidopfers engagieren.


Alessandra Carando
Heilpraktikerin für Psychotherapie und systemische Therapeutin
M.A. Politikwissenschaften